Stand 01.01.2020
Wenn ein Unternehmen Insolvenz anmeldet, gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder wird die Zahlungsfähigkeit wieder hergestellt oder – was meistens geschieht – das Unternehmen muss durch einen Verkauf oder die Liquidation abgewickelt werden. In dieser Krise werden dann verschiedene Krisenstadien durchlaufen.
Wenn die Schulden dann einen hohen Betrag erreichen und eine außergerichtliche Schuldenbereinigung erfolglos ist, ist ein Insolvenzverfahren nicht zu vermeiden.
Rechtsanwalt & Fachanwalt für Insolvenzrecht, Felix Tittel, erklärt in diesem Artikel den Ablauf des Insolvenzverfahrens und das Schutzschirmverfahren. Außerdem geht Tittel auf die Grundzüge des Verbraucherschutzverfahrens ein.
Das Insolvenzverfahren
Meldet ein Unternehmen Insolvenz an, gibt es für den Verlauf des Insolvenzverfahrens zwei Möglichkeiten: die Zahlungsfähigkeit wird wiederhergestellt und das Unternehmen kann weiterbestehen. Der weitaus häufigere Fall ist leider, dass das Unternehmen nicht gerettet werden kann und daher abgewickelt werden muss. Letzteres erfolgt in der Regel durch einen Verkauf oder die Liquidation des Unternehmens.
Auf beiden Wegen soll sichergestellt werden, dass die Forderungen der Gläubiger bestmöglich bedient werden. Das heißt im Falle einer Fortführung muss eine zukunftsfähige Sanierung möglich sein. Ist dies nicht möglich wird das Unternehmen in seiner Gesamtheit verwertet.
Ablauf eines Insolvenzverfahrens
Der Ablauf eines Insolvenzverfahrens findet seinen rechtlichen Rahmen in der Insolvenzordnung. Grundsätzlich wird die Unternehmensinsolvenz (Regelinsolvenz) von der Verbraucherinsolvenz unterschieden.
Info: Ein Regelinsolvenzverfahren kann nur eingereicht werden, wenn das vorhandene Vermögen mindestens die Verfahrens- und Gerichtskosten des Insolvenzverfahrens deckt. Ansonsten wird das die Regelinsolvenz aufgrund mangelnder Masse abgelehnt. Diese Hürde gibt es bei der Verbraucherinsolvenz nicht. Deckt die Insolvenzmasse nicht die Verfahrenskosten, kann eine natürliche Person eine Stundung der Kosten oder einen Verfahrenskostenvorschuss beantragen. Dann übernimmt vorerst die Staatskasse und das Insolvenzverfahren wird eröffnet.
Ein Insolvenzverfahren kann sowohl vom Schuldner selbst als auch vom Gläubiger beantragt werden.
Im ersten Schritt muss beim Insolvenzgericht ein Antrag auf Insolvenz eingereicht werden. Dies kann vom Schuldner oder vom Gläubiger ausgehen. Nachfolgend prüft der Insolvenzrichter von Amts wegen des Vorliegens der Insolvenzgründe. Bis zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann der Antrag zurückgenommen werden und das Insolvenzverfahren aufgehoben werden. Liegt jedoch ein Eröffnungsgrund vor (siehe die Gründe für eine Insolvenz), muss der Schuldner vor Gericht gehört werden. Liegt kein Grund für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens vor, weist das Gericht den Antrag ab. Dies kann auch mangels Masse geschehen – wenn keine Insolvenzmasse für die Bedienung der Schuldner vorhanden ist.
Im nächsten Schritt werden alle Gläubiger schriftlich vom eingesetzten Insolvenzverwalter über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens informiert und aufgefordert, eine Auflistung ihrer offenen Forderungen zu erstellen. Dafür haben sie in der Regel zwischen 14 Tagen bis zu drei Monaten Zeit.
Es folgt ein Berichtstermin, in dem die Gläubiger über die vorhandene Insolvenzmasse, das Vermögen des Schuldners sowie die Anzahl der Gläubiger informiert werden. Die Gläubigerversammlung entscheidet dann über den Fortgang des Verfahrens. Das beinhaltet auch eine Entscheidung darüber, ob das Unternehmen fortgeführt oder stillgelegt wird.
Nachdem der Insolvenzverwalter die Forderungen der Gläubiger entgegengenommen und formal geprüft hat, erstellt dieser eine Forderungstabelle. Aus dieser gehen die Gläubiger, deren Forderungen und der Rang ihres Anspruchs hervor. In einem anschließenden gerichtlichen Prüfungstermin werden die Forderungen formaljuristisch bestätigt und eventuell offene Fragen erörtert.
Krisenstadien der Insolvenz
Eine Insolvenz ist die letzte Stufe einer langen schwelenden Krise. Nach IDW S 6 sind die Krisenstadien wie folgt:
- Stakeholder Krise
- Strategiekrise
- Produkt und Absatzkrise
- Erfolgskrise
- Liquiditätskrise
- Insolvenz
Die Krise ist nicht unabhängig voneinander, sondern entwickeln sich in aller Regel als Krisenstadien aufeinander aufbauend.
Indikatoren des jeweiligen Krisenstadiums
1. Stakeholder Krise
Die Stakeholder Krise -als Ausgangspunkt einer Unternehmenskrise- ist schwer wahrnehmbar. Geprägt ist dieses Krisenstadium von nachhaltigen Konflikten auf Stakeholderebene (Gesellschafter, Arbeitnehmer, Banken, u.ä.). Wesentliche Entscheidungen werden nicht mehr getroffen, das Führungsverhalten wird nachlässig, Unstimmigkeiten werden über die Gesamtbelegschaft hinweg ausgetragen. Blockaden und Polarisierung innerhalb des Führungsteams ändern die Unternehmenskultur dauerhaft, die unterschiedlichen Interessen sind nicht mehr gebündelt.
2. Strategiekrise
Die Strategiekrise ist geprägt von den mangelnden Visionen des Unternehmens. Das Unternehmen orientiert sich nicht mehr am Wettbewerb und den Kunden. Die Produkte befinden sich in einem betriebswirtschaftlichen Reifestadium, da technologische Entwicklungen verpasst wurden. Das Unternehmen erwirtschaftet jedoch noch Gewinne.
3. Produkt- und Absatzkrise
Die Produkt- und Absatzkrise ist im Wesentlichen davon geprägt, dass die Nachfrage zurückgeht. Der Preis- und Margendruck steigt. Die mangelnde Fokussierung des Unternehmens auf die Kunden und den Wettbewerb wird hier offensichtlich. In der Praxis zeigt sich die Produkt- und Absatzkrise vielfach daran, dass Vor und Nachkalkulationen fehlerhaft sind, Stücklisten und Arbeitspläne nicht aktualisiert werden, die Gemeinkosten der Herstellung nicht oder fehlerhaft den Produkten zugewiesen werden oder die Betriebsabrechnungsdaten veraltet sind. In der Folge dieser Entwicklung steigen die Vorratsbestände und damit ist erhöht Kapital gebunden.
4. Erfolgskrise
Infolge des Nachfragerückgang, des Preisverfalls oder der Kostensteigerung sind nun deutliche Gewinnrückgänge oder bereits Verluste zu verzeichnen. Das Eigenkapital wird zunehmend aufgebraucht. Dadurch ist die Bonität bei einem längeren Anhalten dieser Entwicklung droht, die bilanzielle Überschuldung. In diesem Stadium wird die Kapitalbeschaffung deutlich schwieriger.
5. Liquiditätskrise
Meist wird die Krise von Unternehmensseite erst in der Liquiditätskrise wahr- bzw. ernst genommen. Die konkrete und akute Gefahr der Zahlungsunfähigkeit besteht nun. Erkennbar ist die Liquiditätskrise beispielsweise daran, dass Skonti nicht mehr in Anspruch genommen werden können, Kreditlinien sind zumeist ausgeschöpft, die fälligen Verbindlichkeiten steigen deutlich. Infolge der Zahlungsstockungen wird das Unternehmen oftmals nur noch gegen Vorkasse beliefert. Auch Vorauszahlungen an das Finanzamt werden oftmals nur noch zu spät beglichen.
6. Insolvenzreife
Das Unternehmen ist insolvent, wenn die Zahlungsunfähigkeit entweder droht oder bereits eingetreten ist oder das Unternehmen überschuldet ist und keine Fortführungsprognose besteht.
Das Schutzschirmverfahren
Was ist ein Schutzschirmverfahren?
Das Schutzschirmverfahren ist eine besondere Spielart im deutschen Insolvenzrecht. Ziel ist die Sanierung des Unternehmens auf dem Wege der vorläufigen Eigenverwaltung und der Vorlage eines tragfähigen Insolvenzplans.
Das Schutzschirmverfahren findet in der Regel nur bei einer vorübergehenden Zahlungsunfähigkeit Anwendung. Es gelten bestimmte Voraussetzungen: so die grundsätzliche Liquidität des Unternehmens, eine frühzeitige Antragstellung der Insolvenz samt Begründung und die Aussicht auf eine zukunftsfähige Sanierung. Mit Ablauf des Schutzschirmverfahrens entscheidet das Insolvenzgericht nach Begutachtung des Insolvenzplans über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Am Ende kann auch die Aufhebung des Schutzschirmes stehen. Dann läuft das reguläre Insolvenzverfahren in Fremdregie an.
Die Insolvenzmasse wird zur Tilgung der Schulden herangezogen – dazu gehören auch die Gerichts- und Verfahrenskosten eines Insolvenzverfahrens. Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht die Entscheidungsbefugnis über die Verwendung der vorhandenen Gelder und Werte auf den Insolvenzverwalter über.