Von Dr. Marc Laukemann*
Prolog: Der kalte Morgen in Brüssel
Der Nieselregen prasselte gegen die großen Fenster des Europäischen Gerichtshofs, als Richter Pierre Dumont** die Akten der heutigen Verhandlung durchblätterte. Eine besonders brisante Markenrechtsangelegenheit stand auf dem Programm: Bösgläubige Markenanmeldung zur Behinderung eines ehemaligen Geschäftspartners. Ein Fall, der mehr als nur trockene Paragrafen bot – es war eine packende Kriminalgeschichte aus der Welt des Markenrechts.
Kapitel 1: Der Beginn einer erfolgreichen Partnerschaft
Im Jahr 2000 trafen sich in einem unscheinbaren Café in Hamburg zwei Geschäftsleute: Marie Leclerc**, eine visionäre Designerin, und Tom Krüger**, ein geschickter Vertriebsstratege. Gemeinsam gründeten sie die Firma DEC Flexible Technologies. Maries kreativer Kopf entwarf das markante Firmenlogo, ein stilisiertes Quadrat mit geschwungenen Linien, das schnell zum Markenzeichen ihrer Produkte wurde.
Kapitel 2: Der Bruch
Die Jahre vergingen, und aus dem einst erfolgreichen Duo wurden erbitterte Gegner. Streitigkeiten über strategische Ausrichtungen und persönliche Differenzen führten 2015 schließlich zur Trennung. Marie ging eigene Wege und setzte ihre kreative Arbeit unter dem neuen Label “TehnoExport” fort. Tom jedoch hatte andere Pläne.
Kapitel 3: Der schmutzige Kampf
Tom war kein Mann, der leicht aufgab. Während Marie neue Märkte eroberte, schmiedete er einen perfiden Plan. Im Jahr 2020, in einer Nacht voller Ressentiments und Rachegedanken, reichte er beim EUIPO eine Markenanmeldung ein – für genau das Logo, das Marie vor Jahren entworfen hatte.
Kapitel 4: Die Klage
Marie erfuhr von Toms bösgläubiger Aktion und stellte einen Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit der Marke gemäß Art. 59 Abs. 1 lit. b UMV. Sie war sich sicher, dass Tom nur aus Boshaftigkeit handelte, um sie zu behindern. Das EUIPO sah dies ebenso und erklärte die Markenanmeldung für nichtig. Doch Tom ließ sich nicht entmutigen und zog vor das Gericht der Europäischen Union (EuG).
Kapitel 5: Der Showdown im Gericht
Die Verhandlung vor dem EuG war eine wahre Schlammschlacht. Tom legte eine eidesstattliche Versicherung eines ehemaligen Mitarbeiters vor, der aussagte, dass Marie dem Gebrauch des Logos zugestimmt habe. Doch Richter Dumont war nicht überzeugt. Die Erklärung hatte keinen Beweiswert, da der Mitarbeiter Tom zu nahe stand und keine weiteren Beweise vorlagen.
Marie hingegen konnte glaubhaft darlegen, dass Tom nicht nur das Logo, sondern auch den Firmennamen “TehnoExport” als Marke und zahlreiche Domainnamen registriert hatte. Es war klar: Tom wollte Maries Erfolg blockieren und sie aus dem Markt drängen.
Kapitel 6: Das Urteil
Richter Dumont fällte ein klares Urteil: Toms Markenanmeldungen waren bösgläubig. Er hatte die Marke nicht mit dem Ziel eingereicht, fair am Wettbewerb teilzunehmen, sondern um Marie zu schaden. Das Gericht bestätigte die Nichtigkeitserklärung des EUIPO.
Kontext der Entscheidung
Die Entscheidung des EuG vom 6. März 2024 (T-59/23, T-68/23) ist ein klassisches Beispiel für die Anwendung von Art. 59 Abs. 1 lit. b UMV, der die Nichtigkeit einer Unionsmarke aufgrund bösgläubiger Anmeldung vorsieht. Bösgläubigkeit liegt vor, wenn der Markeninhaber die Anmeldung nicht mit dem Ziel eingereicht hat, sich in lauterer Weise am Wettbewerb zu beteiligen, sondern um Dritten zu schaden. In diesem Fall war entscheidend, dass Tom Krüger die Marke offenbar nur anmeldete, um Marie Leclercs Geschäft zu behindern, obwohl er wusste, dass sie das Logo seit Jahren verwendet hatte.
Bösgläubigkeit im Markenrecht wird in Fällen angenommen, in denen eine Marke zweckfremd genutzt wird, etwa zur Behinderung eines Wettbewerbers oder zum Erpressen von Lizenzgebühren (EuGH, 11.6.2009, C-529/07, GRUR 2009, 763 – Goldhase). Beispiele umfassen Fälle wie
- wiederholte Anmeldung von Marken zur Umgehung des Verfalls wegen Nichtbenutzung oder das bewusste Einreichen falscher Informationen gegenüber dem Amt (EUIPO-Richtlinien, Teil D, Abschnitt 2, Punkt 3.3.2.1).
- Auch ein unmittelbares Vertragsverhältnis zwischen den Parteien vor der Anmeldung kann ein Indiz für Bösgläubigkeit sein (EuG, 1.2.2012, T-291/09, GRUR Int. 2012, 453 – Pollo Tropical).
Epilog: Die Lehren des Falls
Dieser Fall zeigt, wie schmutzig es im Markenrecht zugehen kann. Bei der Anmeldung einer Marke müssen stets redliche Absichten im Vordergrund stehen. Der Fall lehrt uns auch, dass eidesstattliche Versicherungen von parteiischen Personen vor dem EuG nur geringe Beweiskraft haben. Wer sich gegen unlautere Praktiken wehren will, sollte daher stets mit klaren Beweisen und Indizien agieren.
Für alle Unternehmer bedeutet dies: Eine saubere Geschäftsführung und eine faire Wettbewerbspraxis sind unerlässlich. Andernfalls kann der Weg zum Erfolg schnell zu einem tödlichen Pakt werden.
Handlungsempfehlung
- Präventivmaßnahmen: Überwachen Sie Ihre Marken und Domains regelmäßig, um unlautere Anmeldungen frühzeitig zu erkennen. Stellen Sie sicher, dass Sie Beweise für Ihre Markenverwendung sammeln, um im Streitfall gut vorbereitet zu sein (Art. 59 Abs. 1 lit. b UMV; EuGH, 29.4.2004, C-456/01 P und C-457/01 P, GRUR Int. 2004, 631 – Henkel Tablettenform).
- Beweissicherung: Dokumentieren Sie alle relevanten Geschäftsbeziehungen und deren Verlauf sorgfältig. Dies kann im Ernstfall eine klare Beweisführung ermöglichen (EuGH, 11.6.2009, C-529/07, GRUR 2009, 763 – Goldhase).
- Rechtliche Beratung: Ziehen Sie bei Verdacht auf bösgläubige Anmeldungen umgehend rechtlichen Rat hinzu, um schnell und effizient zu handeln. Ein präzises Vorgehen ist entscheidend, um Ihre Rechte zu schützen und unlauteren Wettbewerb zu verhindern (EuG, 30.11.2017, T-687/16, BeckRS 2017, 133350 – STYLO & KOTON).
Dieser Fall zeigt, dass die Beweislast für die Bösgläubigkeit beim Nichtigkeitsantragsteller liegt (Art. 59 Abs. 1 lit. b UMV; EuG, 21.5.2015, T-635/14, BeckRS 2016, 81708 – URB). Es ist daher wichtig, dass alle relevanten Umstände sorgfältig dokumentiert werden. Hierzu zählen auch frühere Geschäftsbeziehungen und deren Dokumentation, um im Ernstfall eine klare Beweisführung zu ermöglichen.
Autor:
Dr. Marc Laukemann ist Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie gewerblichen Rechtsschutz bei der Kanzlei LFR Wirtschaftsanwälte. Mit über 20 Jahren Erfahrung berät er Unternehmen zu Fragen des Markenrechts und anderen wirtschaftsrechtlichen Themen. Weitere Informationen finden Sie unter https://www.lfr-law.de/wettbewerbsrecht-gewerblicher-rechtsschutz/
**Hinweis: Alle Namen und Ereignisse in dieser Geschichte, abgesehen von den Rechtsgrundlagen und der Entscheidung des EuG, sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit realen Personen oder Ereignissen sind rein zufällig.
Literaturhinweise:
• EuG, Urteil vom 06.03.2024 – T-59/23, T-68/23, GRUR-RS 2024, 3504
• EuGH, Urteil vom 11.06.2009 – C-529/07, GRUR 2009, 763 – Goldhase
• EuG, Urteil vom 30.11.2017 – T-687/16, BeckRS 2017, 133350 – STYLO & KOTON
Bildrechte: Die Bilder sind von ChatGpt über deren automatisches Bildgenerierungstool erstellt worden, wobei keine spezifischen Künstler oder stilistischen Vorbilder verwendet wurden.
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