Neues Gewährleistungsrecht zum 01.01.2022

Für Kaufverträge, die ab 01. Januar 2022 abgeschlossen werden, gilt ein neues Gewährleistungsrecht. Dies hat weitreichende Folgen sowohl im Verhältnis Unternehmer – Verbrauch (B2C) als auch im Verhältnis Unternehmer – Unternehmer (B2B).

Was ist neu?

Neben der Neuregelung des Sachmangelbegriffs in § 434 BGB wird eine neue Sachkategorie mit der „Ware mit digitalen Elementen“ im BGB etabliert. Auch wird ein neuer Vertragstypus für digitale Produkte geschaffen. Der Verbrauchsgüterkaufvertrag wird teils zum Dauerschuldverhältnis. Dabei trifft den Unternehmer insbesondere eine Aktualisierungs- sowie Informationspflicht. Hinsichtlich der Geltendmachung der Mängelgewährleistungsrechte ist fortan zu beachten, dass der Verbraucher grundsätzlich nicht zur Nacherfüllung auffordern muss, um etwa Schadensersatz geltend zu machen oder zurückzutreten. Vielmehr beginnt mit der Mitteilung des Mangels bereits eine fiktive angemessene Frist zu laufen. Weiterhin wird die Dauer der gesetzlichen Beweislastumkehr bei Verbraucherverträgen von sechs Monaten auf ein Jahr verlängert. Hinzukommen strengere Anforderungen an Garantieerklärungen gegenüber Verbrauchern sowie eine Neuregelung des Händlerregresses bei seinem Lieferanten.

Was heißt das genau?

  • Änderung des Mangelbegriffs nach § 434 BGB n.F.

Für die Frage des Sachmangels reicht künftig nicht mehr die mit dem Vertragspartner vereinbarte Beschaffenheit. Entscheidend wird vielmehr sein, ob die Sache neben den subjektiven Anforderungen wie die vereinbarten Beschaffenheit auch die objektiven Anforderungen wie die übliche Beschaffenheit und Eignung für die gewöhnliche Verwendung erfüllt. Ist die Montage erforderlich, ist darüber hinaus grundsätzlich eine sachgemäße Montage erforderlich.

  • Rein digitale Elemente

Sind digitale Produkte in Form von digitalen Inhalten (etwa Video- oder Musikdateien) oder digitalen Dienstleistungen (etwa Messenger-Dienste) Vertragsgegenstand eines Verbrauchervertrags, sind künftig die §§ 327ff n.F. BGB zu beachten. So trifft den Unternehmer die Pflicht zur Bereitstellung grundsätzlich unverzüglich nach Vertragsschluss. Kommt der Unternehmer dieser Pflicht nicht nach, kann der Verbraucher den Vertrag beenden oder Schadens- beziehungsweise Aufwendungsersatz verlangen (§ 327c BGB n.F.). Auch wird die Mangelfreiheit des Produkts neu geregelt und bezieht sich dabei auf die subjektiven und objektiven Anforderungen an das Produkt sowie die Anforderungen an die Integration. Ebenso ist hier der Unternehmer zur Aktualisierung verpflichtet. Die Verjährungspflicht hinsichtlich der Ansprüche des Verbrauchers bei Sach- und Rechtsmängeln beträgt grundsätzlich zwei Jahre ab dem Zeitpunkt der Bereitstellung. Es erfolgt weiter eine Beweislastumkehr hinsichtlich des Zustands des Produkts, sofern die Abweichung innerhalb eines Jahres nach Bereitstellung auftritt.

  • Waren mit digitalen Elementen ohne qualifizierte Verbindung

Enthält eine Ware ein digitales Produkt beziehungsweise ist dieses damit verbunden, kann die Ware ihre Funktion aber auch ohne das digitale Produkt erfüllen, kommt es zu einer Zweiteilung der anzuwendenden Normen: Für den analogen Teil gilt das normale Mängelgewährleistungsrecht, insbesondere der Mangelbegriff des § 434 BGB. Für den digitalen Teil sind die Vorschriften der §§ 327ff. BGB entscheidend. Auch der Mangelbegriff des § 434 BGB wird geändert. So sind auch hier neben den subjektiven Anforderungen nun die objektiven Anforderungen zu erfüllen und im Falle einer Montage grundsätzlich auf eine sachgemäße Montage zu achten.

  • Weitere Änderungen im Verbrauchsgüterkaufvertrag

Künftig wird die Regelung des § 442 BGB (Mangelkenntnis des Käufers) nicht mehr gelten. Zudem ändert sich die Verjährungsfrist bei Verbrauchsgüterkäufen. Die Verjährung tritt erst vier Monate nach dem Zeitpunkt ein, in dem sich der Mangel zum ersten Mal gezeigt hat, sofern dies innerhalb der regulären Gewährleistungsfrist lag. Zeigt sich ein Mangel somit beispielsweise im 22. Monat, können Ansprüche noch bis zum 26. Monat geltend gemacht werden.

Was ist zu tun?

Herstellern, Händlern und Verkäufern ist zu raten, ihr Produktangebot, Vertragsmuster und AGB an die neuen Anforderungen anzupassen. Das heißt:

  • Klassische Kaufverträge, insbesondere die Beschaffenheitsvereinbarungen müssen an den neuen Sachmangelbegriff angepasst werden
  • Im Bereich der digitalen Produkte bzw. solcher Produkte mit digitalen Elementen müssen
    • die künftige Aktualisierungspflicht,
    • der Umfang der Informations- und Lieferpflichten und deren Aufteilung zwischen Händler und Hersteller in den Verträgen der Lieferkette geregelt und
    • auch operative Abläufe angepasst werden.
  • Berücksichtigung weiterer Besonderheiten des Einzelfalls

Nachteilige Abweichungen von den Richtlinien gegenüber Verbrauchern sind unzulässig und werden einer AGB-Kontrolle nicht standhalten.

Achtung!

Wer veraltete und damit gesetzeswidrige Verträge verwendet, riskiert nicht nur, dass die Rechtssicherheit im Einzelfall verloren geht.  Unwirksam (gewordene) Vertragsklauseln können Schadensersatzansprüche auslösen und von Wettbewerbern oder entsprechenden Verbänden abgemahnt werden.

Gerne unterstützen wir Sie dabei, ihrer AGB und Vertragswerke an die zum 01.01.2022 geltenden Neuerungen des Kaufrechts und insbesondere des Verbrauchervertragsrechts anzupassen und neu auftretende Haftungsrisiken zu prüfen und zu vermeiden.

Ihre Ansprechpartner sind Rechtsanwalt Dr. Ulrich Rösch (Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht) und Rechtsanwalt Babak Tabeshian (Fachanwalt für IT Recht).