Haftung von Unternehmen für Schäden infolge des Corona-Virus

I. Welches Risiko geht vom Corona-Virus aktuell aus?

Der Corona-Virus bestimmt seit Wochen die Nachrichtenlage. Handelte es sich anfangs bei den Infektionen um ein lokales Ereignis in China, hat die Lungenkrankheit Covid-19 nunmehr globale Auswirkungen. Dies nicht nur in gesundheitlicher, sondern mittlerweile auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Drastisch wurde uns dies mit den weltweiten erdrutschartigen Verlusten der Börsen am 09.03.2020, wie wir sie nur von 9/11 kannten, sowie der Erklärung von Gesamt-Italien zur Sperrzone, vor Augen geführt. Dies alles hat selbstverständlich auch rechtliche Auswirkungen. Für viele mittelständische Unternehmen stehen dabei derzeit rechtliche Fragen im Umfeld drohender Lieferengpässe sowie stornierter Messen im Mittelpunkt. Hierauf möchte ich nachfolgend eingehen

II. Sind durch Corona-Virus verursachte Schäden ein Fall höheren Gewalt?

Ein Begriff der in diesem Zusammenhang häufig fällt ist die sog. „Force Majeure“. Damit sind Fälle der höheren Gewalt gemeint, also Konstellationen, in denen eine Partei ohne ihr Verschulden an der Vertragsdurchführung gehindert ist.

  1. Force Majeure in internationalen Lieferverträgen

In vielen internationalen Lieferverträgen sind Force-Majeure-Klauseln enthalten. Diese stehen in Zusammenhang mit einer verspäteten Leistungserbringung im Falle der höheren Gewalt. Bereits hier sei gesagt, dass der Begriff der höheren Gewalt dem deutschen Recht im Umfeld von Lieferverträgen fremd ist.

Diese Klauseln definieren mehr oder minder standardisiert, unter welchen Voraussetzungen der Leistungsverpflichtete, d.h. typischerweise der Lieferant, von seiner Leistungspflicht befreit ist bzw. die Leistung verweigern darf.

Zunächst wird dort geregelt, welche Ereignisse unter die Force Majeure fallen. Meist werden hier Geschehnisse erfasst, die der Kontrolle des Lieferanten entzogen sind. Abhängig von der Reichweite der Bestimmung folgen umfangreiche Aufzählungen. Je mehr Ereignisse unter die Force Majeure fallen, desto günstiger ist die Klausel normalerweise für den Lieferanten. Quasi immer erwähnt werden Naturereignisse, kriegerische Auseinandersetzungen, Aussperrungen, Streiks oder ganz allgemein sogenannte Acts of God, also sonstige Naturereignissen, die außerhalb der menschlichen Kontrolle stehen, wie z.B. Tsunamis, Sturmfluten oder Erdbeben.

Im Anschluss werden Informationspflichten festgelegt. Hiernach muss der von dem Force-Majeure-Ereignis Betroffene seinem Vertragspartner innerhalb einer gewissen Frist Mitteilung über den Eintritt des Force Majeure-Ereignis machen und die damit verbundenen Folgen und Gegenmaßnahmen skizzieren. Als Rechtsfolge sehen die Klauseln meist vor, dass dem Lieferanten für eine gewisse Dauer ein Leistungsverweigerungsrecht zugestanden wird ohne zu Schadensersatz verpflichtet zu sein. Sollte die Force Majeure indes eine definierte Dauer überschreiten, wird einer oder beiden Parteien ein Kündigungsrecht eingeräumt.

2. Wann liegt nach deutschem Recht ein Fall höherer Gewalt vor?

Da das deutsche Recht den Begriff der höheren Gewalt nicht kennt bzw. diesen in anderem Umfeld als in Lieferverträgen in Ansatz bringt (z.B. im Reiserecht), werden in Fällen in denen eine Partei an der Leistungserbringung gehindert ist, die gesetzlichen Instrumentarien der Unmöglichkeit (§ 275 BGB) sowie des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) angewendet.

a. Nach der gesetzlichen Bestimmung des § 275 Abs. 1 BGB ist der Anspruch auf Leistung ausgeschlossen, soweit dies für den Schuldner oder für jedermann ausgeschlossen ist. Bei grober Unverhältnismäßigkeit der Leistungserbringung gesteht § 275 Abs. 2 BGB dem Schuldner ein Leistungsverweigerungsrecht zu. Der Anspruch ist zwar auch ausgeschlossen, wenn der Schuldner die Unmöglichkeit zu vertreten hat, d.h. sie von ihm verschuldet ist, allerdings handelt es sich dann um eine vertragliche Pflichtverletzung, die den Schuldner zum Schadensersatz verpflichtet. Entscheidend für die Frage, ob Schadensersatz zu leisten ist, ist damit, ob dem Schuldner Vorsatz oder Fahrlässigkeit hinsichtlich der Herbeiführung der Unmöglichkeit vorzuwerfen ist.

b. § 313 BGB erfasst den Wegfall der Geschäftsgrundlage. Dies ist gegeben, wenn sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben und ein Festhalten am Vertrag der von der Störung betroffenen Partei nach einer Risikoabwägung nicht mehr zumutbar ist. In solchen Fällen kann der Vertrag angepasst bzw. wenn dies nicht möglich ist, gekündigt werden.

III. Aktuelle FAQs zur Rechtslage bei Schäden infolge des Corona-Virus?

  1. Was gilt, wenn wir infolge eines Lieferengpasses an Zulieferteilen selbst nicht liefern können?

a. Internationale Lieferverträge mit Force Majeure-Klauseln

Zunächst ist zu klären, ob die Verbreitung des Corona-Virus ein Force Majeure-Ereignis ist. Dies muss einzelfallabhängig anhand der jeweiligen Vertragsklausel erfolgen. Es spricht jedoch viel dafür, dass sich die derzeitige Situation in der sich das Virus epidemisch verbreitet, als ein von den Klauseln erfasstes Force Majeure- Ereignis subsumieren lässt.

Hierbei ist jedoch darauf zu achten, dass die Auslegung der Force MajeureKlauseln maßgeblich durch das auf den Vertrag anwendbare Recht geprägt wird.

Sollte der Vertrag nach deutschem Recht zu bewerten sein, ist unter Zugrundelegung der deutschen Rechtsprechung und Kommentarliteratur davon auszugehen, dass Epidemien einen Fall der höheren Gewalt darstellen können.

Für die weitere Betrachtung sind verschiedene Szenarien zu differenzieren:

Beziehen Sie als hiesiger Kunde von einem chinesischen Lieferanten eine Sonderanfertigung und ist das Lieferwerk aufgrund behördlicher Anordnung wegen des Corona-Virus geschlossen, liegt nahe, dass sich der chinesische Lieferant Ihnen gegenüber auf Force Majeure berufen kann.

Anders kann sich die Rechtslage indes für Sie als deutschen Kunden darstellen. Benötigen Sie für die von Ihnen hergestellten Produkte eben jenes Lieferteil, aber sind Sie infolge der fehlenden Belieferung nicht in der Lage, Ihre Kunden zu beliefern, ist fraglich, ob Sie sich gegenüber Ihren Kunden ebenfalls auf Force Majeure berufen können. Dies zumal deshalb, da das Force Majeure-Ereignis bei genauer Betrachtung nicht direkt bei Ihnen, sondern nur bei Ihrem Sublieferanten eintritt.

Sollte das Produkt infolge des Ausfalls des Sublieferanten überhaupt nicht mehr verfügbar sein, könnten auch Sie sich gegenüber Ihren Kunden mit Erfolg auf Force Majeure berufen.

Wichtig ist dann, dass Sie in der Folge den formalen Pflichten gegenüber Ihrem Kunden nachkommen und diesen entsprechend informieren.

Sind indes auf dem Markt vergleichbare Produkte erhältlich, wenn auch zu einem deutlich höheren Preis, ist es Ihnen nicht möglich, für sich Force Majeure geltend zu machen. Grund hierfür ist, dass nach deutschem Recht der Verkäufer das Beschaffungsrisiko trägt. Dies gilt umso mehr, falls Sie vertraglich eine Verpflichtung übernommen haben, die Belieferung Ihres Kunden jederzeit sicher zu stellen. Falls Sie eine derartige Liefergarantie übernommen haben, scheidet eine Berufung auf Force Majeure aus, wenn Sie nicht weitgehende Maßnahmen zur Sicherstellung der Lieferung unternommen haben.

b. Beurteilung nach deutschen Recht ohne Force Majeure-Klausel

Wie bereits gesagt, kommt aufgrund des Fehlens der Force Majeure im deutschen Recht das gesetzliche Instrumentarium des Leistungsstörungsrechts zum Einsatz.

Für die Frage, wie sich die rechtliche Situation des von einem Lieferausfall bedrohten deutschen Unternehmen gegenüber seinen Kunden darstellt, kommt es hier zunächst darauf an, ob die Nichtlieferung dem Lieferanten objektiv unmöglich ist. Handelt es sich um ein nicht anderweitig verfügbares Produkt, liegt ein Fall der objektiven Unmöglichkeit vor, die zur Leistungsbefreiung führt.

Trifft Sie als Lieferant hinsichtlich der Unmöglichkeit der Lieferung kein Verschulden, sind Sie nicht zum Schadensersatzpflicht verpflichtet.

Anders ist es, wenn das Produkt bzw. ein vergleichbares z.B. über andere Quellen, alternative Transportwege oder eine alternative Fertigung zu beziehen ist. Aufgrund des Sie treffenden Beschaffungsrisikos ist die einhellige Meinung in der Judikatur, dass es für Sie als Lieferanten zumutbar sei, auch erhebliche Mehraufwendungen z.B. durch alternative Bezugsquellen oder Transportmittel (Luftfracht statt Seefracht) zu tätigen. Bei besonders weitreichenden und von keiner Partei vorhersehbaren Änderungen, ist ggf. eine Anpassung des Vertrags nach den Regeln des Wegfalls der Geschäftsgrundlage denkbar.

Ratsam ist daher frühzeitig zu klären, ob und unter welche (finanziellen) Voraussetzungen ein Second oder Multi-Sourcing möglich ist.

Fazit: Nationale wie internationale Verträge haben einen unterschiedlichen Ansatz wie Fälle der höheren Gewalt gelöst werden. Dies erfolgt entweder über explizite Force Majeure-Klauseln oder dem gesetzlichen Leistungsstörungsrecht. Die Ergebnisse sind häufig ähnlich. Ein Fehlglaube wäre es, sich darauf zu verlassen, dass deutsche Lieferanten, die von einem Lieferausfall einer Komponente infolge des Corona-Virus betroffen sind, sich in jedem Fall gegenüber ihren Kunden mit Erfolg auf Force Majeure bzw. Unmöglichkeit der Leistungserbringung berufen können.

Eine genaue Einzelfallprüfung der Sach- und Rechtslage ist unumgänglich.

2. Eine Messe wird abgesagt. Wer haftet für die Kosten?

Infolge des Corona-Virus werden wichtige Messen abgesagt bzw. Unternehmen wollen zum Schutz Ihrer Mitarbeiter nicht mehr als Aussteller auf der Messe vertreten sein und daher gegenüber dem Messeveranstalter kündigen. Fraglich ist, wer hier für die Kosten aufkommt.

a. Absage der Messe

Erfolgt die Absage durch die Gesundheitsbehörden infolge der von dem Corona-Virus ausgehenden Gefahr, ist es dem Veranstalter unmöglich, die Messe durchzuführen. Auch trifft ihn an der Absage kein Verschulden. Rechtsfolge ist daher, dass der Veranstalter einerseits keinen Anspruch auf die Standgebühren hat andererseits auch nicht verpflichtet ist, Schadensersatz für den Ausfall zu zahlen. Eine Rückzahlung der Standgebühren hat auch dann zu erfolgen, wenn der Veranstalter die Messe vorsorglich von sich aus absagt, um die Besucher vor einer Ansteckung mit dem Corona-Virus zu schützen. Da der Aussteller in diesem Fall seine Leistung nicht erbringt, hat er keinen Anspruch auf die Gegenleistung, d.h. die Standgebühren sind zu erstatten. Ob ein Anspruch auf Schadensersatz besteht hängt davon ab, ob den Veranstalter ein Verschulden trifft. Diese Frage ist einzelfallabhängig zu bewerten, jedoch erscheint ein Verschulden nicht gegeben zu sein, wenn die Absage erfolgt, um eine Ausbreitung von COVID-19 zu verhindern. Fazit: Es ist davon auszugehen, dass im Falle einer Absage einer Messe Standgebühren zurückerstattet werden müssen.

b. Kündigung durch Aussteller aus Furcht vor einer Ansteckung mit COVID-19

Zunächst ist hier der konkrete Vertrag mit dem Messeveranstalter dahingehend zu prüfen, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Kündigung in Betracht kommt. Ansonsten gilt der Grundsatz: pacta sunt servanda, d.h. Verträge müssen so eingehalten werden, wie sie abgeschlossen wurden. Dies bedeutet, dass einerseits der Veranstalter verpflichtet ist, die Messe durchzuführen, anderseits Sie als Aussteller verpflichtet sind, die Standgebühren zu bezahlen. Fazit: Die bloße Angst sich mit einer Krankheit zu infizieren, stellt keinen Fall der Unmöglichkeit dar. Eine Kündigungs- oder Rücktrittsrecht besteht grundsätzlich nicht, außer dass dies vertraglich eingeräumt wurde.

3. Können Hotelzimmerbuchungen wegen Messeabsagen kostenfrei storniert werden?

Zwar ist es rein faktisch so, dass die Hotelzimmer gerade wegen dem Messebesuch gebucht wurden. Wird nun eine Messe abgesagt, entfällt für die Zimmerbuchung der Anlass. Ein solcher Wegfall des Beweggrunds stellt jedoch keine Unmöglichkeit dar und berechtigt Sie nicht zum Rücktritt zum Vertrag, zumal die Zimmer unabhängig von der Durchführung der Messe genutzt werden könnten.

Auch liegt kein Fall des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB). Dies wäre nur dann der Fall, wenn das Hotel gewusst hätte, dass die Buchung ausschließlich wegen dem Messebesuch erfolgte und dies zur Vertragsgrundlage wurde. Dies ist jedoch meist nicht der Fall. Anders wäre es ggf. nur dann, falls über das Hotel ein Messe-Package gebucht wurde.Fazit: Das Hotel hat grundsätzlich Anspruch auf Zahlung der Übernachtungskosten. Einzelheiten wie die Kosten im Falle einer Zimmerstornierung erstattet werden, können sich aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Hotels ergeben