Gesellschaftsrecht: Beteiligungskaufverträge als Allgemeine Geschäftsbedingunge

Über ein sehr effektives Mittel, unliebsame Vertragsklauseln in Unternehmenskaufverträgen nachträglich zu beseitigen

von Rechtsanwalt Matthias Jacobs

Wie im Wirtschaftsleben allgemein kommt es auch – und gerade – beim Verkauf von Beteiligungen oder ganzer Unternehmen immer wieder zu Uneinigkeiten darüber, wie bestimmte Formulierungen auszulegen oder wie (vermeintliche) Widersprüche im Vertragswerk aufzulösen sind. Aus der Rechtsprechung ergibt sich, dass oftmals derjenige, der den ersten Vertragsentwurf vorlegt, bei einem Konflikt die schlechteren Karten hat.

Grund für dieses paradox anmutende Ergebnis sind die Regelungen über Allgemeine Geschäftsbedingungen und deren großzügige Handhabung durch die Rechtsprechung.

 

Der Vertragsentwurf als Allgemeine Geschäftsbedingung

Im Normalfall werden Beteiligungs- und Unternehmenskaufverträge von den Anwälten der Parteien erstellt oder, seltener, aus Musterformularen entnommen. Das führt dazu, dass die einzelnen Klauseln in den allermeisten Fällen als Allgemeine Geschäftsbedingungen („AGB“) anzusehen sind.

AGB liegen vor, wenn eine Vertragspartei der anderen für eine Vielzahl von Verwendungen vorformulierte Vertragsbedingungen stellt (§ 305 Abs. 1 Satz 1 BGB). Sie liegen nicht vor, soweit die Vertragsbedingungen zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt sind (§ 305 Abs. 1 Satz 3 BGB). Keine AGB sind Vereinbarungen über die Hauptleistungen, wie z. B. den Verkaufsgegenstand und den Kaufpreis, an sich (§ 307 Abs. Abs. 3 BGB; BGH NJW 2008, 3372, Rn. 22). Preisanpassungsklauseln oder sonstige Regelungen zu deren näheren Bestimmung sind allerdings keine derartigen Vereinbarungen und unterliegen der Kontrolle der AGB-Vorschriften (BGH NJW 1990, 115). Ob eine AGB vorliegt, ist für jede einzelne Vertragsklausel gesondert zu bestimmen. Es kann also auch sein, dass in einem Vertragswerk einzelne Klauseln AGB sind, andere hingegen nicht.

Für die Einordnung als AGB bedarf es nicht viel. Als für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert gelten schon formelhafte Standardklauseln. Nach der Rechtsprechung (z. B. BGH, Urteil vom 4. 5. 2000 – VII ZR 53/99) genügt nämlich die Absicht der mehrmaligen Verwendung beim Ersteller der Klausel (z. B. also dem Rechtsanwalt oder Verfasser einer Formularsammlung), um das Vorliegen von AGB zu bejahen. Damit wird erst einmal beinahe jede von einem Rechtsanwalt der Parteien entworfene Klausel zu einer AGB, denn es dürfte kaum anzunehmen sein, und wäre auch nicht wirtschaftlich, wenn der Anwalt für jeden Vertrag „das Rad neu erfinden“ würde. Diese AGB wird von der Partei gestellt, die sie in den Vertragsentwurf einfügt oder durch ihren Anwalt einfügen lässt (z. B. BGH, Urteil vom 4.2.2015 – VIII ZR 26/14). Sie kann sich nicht darauf berufen, dass die AGB-Regelungen auf das Gesellschaftsrecht nicht anwendbar sind (§ 310 Abs. 4 Satz 1 Alt. 2 BGB), denn diese „Bereichsausnahme“ ist auf schuldrechtlich geprägte Verträge wie diejenigen zur Veräußerung von Beteiligungen nicht anwendbar (BGH, Urteil vom 05.10.1992 – II ZR 172/91).

 

Wer unwirksame AGB-Klausel vorlegt, verliert bereits sicher geglaubte Ansprüche

Für den (ungewollten) Verwender der AGB hat dies unangenehme Konsequenzen. Er gerät in die schlechte Position, sich gegen jede Behauptung des Vertragspartners über den Klauselinhalt verteidigen zu müssen. Seine Lage wird zunächst dadurch erschwert, dass die AGB nicht nach dem individuellen Verständnis der Parteien, sondern ausgehend von den Verständnismöglichkeiten eines rechtlich nicht vorgebildeten Durchschnittspartners so auszulegen sind, wie ihr Wortlaut von verständlichen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise verstanden wird (BGH, Versäumnis- und Endurteil vom 23. 11. 2005 – VIII ZR 154/04). Das wäre noch annehmbar. Problematisch ist jedoch, dass Zweifel bei der Auslegung von AGB immer zu Lasten des Verwenders gehen (§ 305c Abs. 2 BGB). Bestehen also mehrere Möglichkeiten den Inhalt des Vertrags zu verstehen, ist zwingend die für den Vertragspartner des Verwenders vorteilhafteste Möglichkeit auszuwählen. Um seine Vorstellungen durchzusetzen, muss derjenige, der die Klausel nicht gestellt hat, also nur aufzeigen, dass sein Verständnis theoretisch auch in Frage kommt; vollkommen unabhängig von dem, was beide Parteien womöglich ursprünglich vereinbaren wollten.

Die Abwehrmöglichkeiten des „Verwenders“ der AGB gegen dieses Vorgehen sind gering. Er kann nur versuchen zu erklären, dass es sich bei einer Klausel nicht um eine AGB handelt oder diese jedenfalls nur eindeutig in seinem Sinne zu verstehen ist. Hierfür müsste er nachweisen, dass die Klausel sich als Ergebnis einer freien Entscheidung seines Vertragspartners als sog. „Individualvereinbarung“ darstellt. Dafür müsste die andere Vertragspartei in der Auswahl der in Betracht kommenden Vertragstexte frei gewesen sein und insbesondere Gelegenheit erhalten haben, alternativ eigene Textvorschläge mit der effektiven Möglichkeit ihrer Durchsetzung in die Verhandlungen einzubringen. Hierfür genügt es aber nicht, dass der anderen Seite Gelegenheit gegeben wird, Anmerkungen oder Änderungswünsche mitzuteilen. Dies eröffnet noch keine effektive Möglichkeit, eigene Textvorschläge durchzusetzen (z. B. BGH, Urteil vom 20.1.2016 – VIII ZR 26/15).

Die erforderlichen Einflussmöglichkeiten werden gemeinhin nur dann bestehen, wenn die Vertragspartner absolut gleichwertig sind. Die größere Marktmacht des einen Partners wird mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit schon dafür sorgen, dass die Rechtsprechung davon ausgeht, er könne „seine Klauseln durchdrücken“. Auch bei Gleichwertigkeit dürfte ein ausreichender Nachweis schwerfallen. Ein solcher wäre zumeist wohl nur dann möglich, wenn dokumentiert ist, dass der andere Teil tatsächlich eigene Textvorschläge machen konnte und diese ernsthaft erwogen wurden. Eigentlich müsste also zu jeder Klausel ein Alternativvorschlag eingeholt und im Einzelnen diskutiert werden. Das wäre allerdings absolut praxisfern und mit einem im Normalfall nicht mehr vertretbaren Aufwand verbunden. Jedenfalls bei den wichtigsten Klauseln ist ein solches Vorgehen aber durchaus zu erwägen.

 

Fazit:

Die Rechtsprechung stellt den „aktiveren“ Verhandlungspartner vor kaum zu überwindende Probleme. Es bleiben ihm nur unbefriedigende Wege, sich aus dieser Situation zu befreien. Zum einen könnte der Vertragspartner aufgefordert werden, den Vertrag zu entwerfen. Damit würde allerdings das Heft des Handelns erst einmal aus der Hand gegeben. Der Vertragspartner könnte „den ersten Pflock einrammen“ und man müsste sich mit einem möglicherweise ungünstigen oder auch qualitativ ungenügenden Vertragsentwurf auseinandersetzen. Zum anderen könnte versucht werden, die eigenen Klauseln so eindeutig zu formulieren, dass kein Auslegungsspielraum verbleibt. Da Sprache aber nicht immer eindeutig ist und Praxis und Gerichte teilweise nicht auf den ersten Blick nachvollziehbare Formulierungen anerkennen, besteht ein hohes Risiko, missverständliche oder auslegungsfähige Formulierungen zu wählen. Gerade bei Beteiligungs- und Unternehmensverkäufen ist es daher notwendig, einen transaktionserfahrenen und spezialisierten Anwalt hinzuzuziehen, der bei der Vertragsgestaltung bereits ergangene Entscheidungen zur Auslegung bestimmter Klauseln beachtet und die Formulierungen auch ansonsten soweit möglich an den strengen Kriterien zur objektiven Eindeutigkeit von Vertragsinhalten ausrichtet.

Die Einordnung als AGB hat in unserer Praxis u. a. bei Streitigkeiten über folgende Klauseln eine teils erhebliche Rolle gespielt:

  • Vertragsstrafe bei Vertragsbeendigung („Break-up-fee-Klauseln“);
  • Kaufpreisanpassung („Cash-& Debt Free-Klauseln“);
  • Vermittlungsprovisionen bei Unternehmensbeteiligungen („Kick-Back-Klauseln“);
  • Nachvertragliche Wettbewerbs- und Kundenschutzvereinbarungen („Non-Competition-Klauseln“ und „Customer-Protection-Klauseln“);
  • Verkaufspflichten bei Manager- und Mitarbeiterbeteiligungen („Employee-Option-Pools“, „Good-/Bad-Leaver-Klauseln“);
  • Mitverkaufsrechte- und Pflichten in Exit-Fällen („Tag-along/Drag-along-Klauseln“);
  • Inhalt und Reichweite von Zusicherungen und Garantien („Reps & Warranties“);
  • Haftungsbeschränkungen (Gewährleistungsausschluss, Haftungsmindest- und -höchstgrenzen, „De minimis-/Threshold-/Cap-Klauseln“);
  • Rücktrittsrechte („MAC-Klauseln“)

Der Autor ist Rechtsanwalt im Handels- und Gesellschaftsrecht und berät sowohl Gesellschafter und Gesellschaften bei Transaktionen sowie in allen gesellschaftsrechtlichen Belangen und zu sämtlichen Anforderungen des betrieblichen Alltags. Sollten Sie zum oben behandelten Thema oder sonstigen gesellschafts- und wirtschaftsrechtlichen Bereichen Fragen haben, stehen Ihnen der Autor und die Kanzlei lfr Wirtschaftsanwälte jederzeit gerne zur Verfügung.