Von Rechtsanwalt Dr. Marc Laukemann*
Konflikte und Verhandlungen gehen Hand in Hand – sie sind unvermeidlich und müssen reguliert, nicht „gelöst“, werden. Als Wirtschaftsanwalt ist dies der Kern meiner täglichen Arbeit. Dieser Artikel erklärt, wie Verhandlungen, die harte Konflikte beinhalten, erfolgreich geführt werden können. Konflikte sind kein Zeichen des Scheiterns, sondern bieten die Chance auf echten Fortschritt. Doch wie gehen wir mit ihnen um, wenn sie unausweichlich sind? Die Antwort liegt im gezielten Einsatz von Framing, der Fokussierung der Aufmerksamkeit und dem Bewusstsein über die Glaubwürdigkeit, die jede Verhandlung prägt.
Am Ende steht eine technische Anleitung für erfolgreiche Verhandlungen, basierend auf meiner langjährigen Erfahrung.
1. Die Systematik von Konflikten: Luhmanns Sinndimensionen als Ausgangspunkt
Jeder Konflikt ist in einem System verankert. Niklas Luhmann (Die Gesellschaft der Gesellschaft, Bd. 1 1998) zeigt, dass Konflikte in drei zentrale Sinndimensionen unterteilt werden können:
- Sachliche Dimension: Was ist das Problem? Was ist die drängendste Frage, die der Mandant gelöst haben möchte?
- Beispiel: „Können Sie eine konkrete Situation beschreiben, in der Sie das Problem besonders gespürt haben?“
- Zeitliche Dimension: Konflikte entwickeln sich über Zeit. Es ist entscheidend, den historischen Kontext des Konflikts zu verstehen.
- Beispiel: „Wie wurde in der Vergangenheit mit ähnlichen Problemen umgegangen?“
- Soziale Dimension: Wer sind die relevanten Akteure im Konflikt? Welche Machtverhältnisse spielen eine Rolle?
- Beispiel: „Wer müsste unbedingt in den Verhandlungsprozess einbezogen werden, um eine zielführende Lösung zu finden?“
Diese Dimensionen helfen, die Struktur des Konflikts zu erkennen und gezielt anzugehen.
2. Der doppelte Widerspruch des Konflikts:
Konflikte leben von Widersprüchen. Klaus Eidenschick (Die Kunst des Konflikts, 2022) beschreibt den Konflikt als „doppelten Widerspruch“ – jede Seite erwartet, dass der andere widerspricht. Um diesen Kreislauf zu durchbrechen, müssen Verhandler gezielt agieren. Dabei gibt es zwei Pole, zwischen denen ein Konflikt sich bewegt:
- Eskalation: Generalisierung, Absolutismus, Feindseligkeit.
- Deeskalation: Spezifische Kommunikation, Dialog, Verhandlungsbereitschaft.
Die Kunst der Konfliktlösung liegt darin, den richtigen Pol zu wählen. Eskalation ist nicht immer negativ und Deeskalation nicht immer positiv – es geht um das passende Mittel zur richtigen Zeit. Ein Verhandler, der diese Dynamik versteht, kann Konflikte lenken, statt in ihnen gefangen zu sein.
3. Konflikte als unvermeidlicher Teil von Verhandlungen: Magische Momente?
Konflikte sind weder „gut“ noch „schlecht“ sind. Sie sind unvermeidlich und oft der einzige Weg, um neue Erkenntnisse zu gewinnen und Beziehungen zu vertiefen. Konflikte sind im Wirtschaftsleben die Regel, Harmonie die Ausnahme. Sprenger (Magie des Konflikts, 2019) verdeutlicht, dass Konflikte Eigenwertkonflikte sind – sie basieren auf Anerkennung und Abwertung.
Die 7 Thesen von Sprenger zur Magie des Konflikts:
- Konflikte sind die Regel: Es geht nicht darum, sie zu vermeiden, sondern sie besser zu handhaben.
- Konflikte lassen sich nicht lösen, nur regulieren: Unterschiedliche Interessen lösen sich selten vollständig auf.
- Gemeinsamkeiten schaffen Trennendes: Nur wer ein gemeinsames Ziel hat, kann überhaupt in einen Konflikt geraten.
- Konflikte sind Eigenwertkonflikte: Sie drehen sich letztlich immer um die Anerkennung von Personen oder Gruppen.
- Mehrdeutigkeit ist das Wesen der Welt: Konflikte bieten keinen Raum für einfache Antworten – und das ist gut so.
Für Verhandler bedeutet das: Gehen Sie Konflikten nicht aus dem Weg. Ihre Aufgabe ist es, sie als Mittel zur Klärung und zum Fortschritt zu nutzen, nicht sie zu „lösen“ oder gar zu vermeiden.
4. Der rote Faden in Verhandlungen: Die Rolle von Framing und Glaubwürdigkeit
Wenn der Konflikt verstanden und analysiert ist, geht es um die Art und Weise, wie Sie die Verhandlung führen. Hier kommen zwei entscheidende Konzepte ins Spiel: Framing und Glaubwürdigkeit.
Framing: Den richtigen Rahmen setzen
Wie Zigarmi und Diamond im Harvard Business Manager (Juni 2023)betonen, ist es essenziell, schwierige Themen so zu rahmen, dass sie lösbar erscheinen. Framing bedeutet, den richtigen Kontext für das Gespräch zu schaffen. Stellen Sie die Fragen, die die Verhandlung in eine konstruktive Richtung lenken. Wichtig ist, dass Sie nicht von vornherein eine Lösung vorgeben, sondern den Prozess so gestalten, dass beide Seiten Raum zur Gestaltung haben.
Glaubwürdigkeit als Grundlage jeder Verhandlung
Neuere Studien heben auch die Bedeutung der eigenen Glaubwürdigkeit in Verhandlungen hervor (Deppermann, Glaubwürdigkeit im Konflikt 2005) Diese wäre durch präzise, überprüfbare Fakten geschaffen. Glaubwürdigkeit ist das Fundament jeder Verhandlung. Ohne Glaubwürdigkeit verlieren Sie das Vertrauen des Gegenübers, und der Konflikt eskaliert. Bauen Sie Ihre Argumente auf nachprüfbare Beweise und detaillierte Erklärungen auf. Unbelegte Behauptungen oder Übertreibungen sind Gift für den Verhandlungsprozess.
6. Praxistipps für erfolgreiche Verhandlungen
Nach der theoretischen Grundlage folgt die praktische Anwendung. Hier sind die 30 besten Praxistipps für die effektive Konfliktregulierung in Verhandlungen:
Praxistipp | Erklärung |
Setzen Sie den Rahmen frühzeitig | Definieren Sie die Themen klar, bevor sie eskalieren. |
Seien Sie neugierig, nicht urteilend | Offenheit gegenüber neuen Informationen schafft Vertrauen. |
Nutzen Sie Ich-Botschaften | Vermeiden Sie Schuldzuweisungen durch Ich-Formulierungen. |
Fordern Sie andere aktiv zur Beteiligung auf | Involvieren Sie die Beteiligten aktiv im Lösungsprozess. |
Nutzen Sie präzise, detaillierte Beschreibungen | Details erhöhen Ihre Glaubwürdigkeit. |
Berufen Sie sich auf überprüfbare Fakten | Unbelegte Behauptungen schwächen Ihre Position. |
Vermeiden Sie Übertreibungen | Bleiben Sie bei den Tatsachen – Übertreibungen untergraben das Vertrauen. |
Seien Sie präzise und direkt | Vage Aussagen führen zu Missverständnissen. |
Vermeiden Sie Reizworte | Provokationen führen zu Eskalationen. |
Schaffen Sie Raum für gemeinsames Lernen | Lernen Sie selbst und regen Sie andere zum Lernen an. |
Wiederholen Sie wesentliche Punkte | Wiederholung verhindert Missverständnisse. |
Arbeiten Sie mit Zeugen und Belegen | Untermauern Sie Ihre Argumente mit klaren Beweisen. |
Prüfen Sie die Glaubwürdigkeit anderer | Aber ohne aggressiv zu wirken. |
Nutzen Sie Pausen zur Reflexion | Kurze Pausen helfen, den Gesprächsfluss zu kontrollieren. |
Fokussieren Sie die Aufmerksamkeit auf Lösungen | Statt Probleme zu betonen, lenken Sie den Fokus auf das Positive. |
Nutzen Sie Framing, um das Gespräch zu steuern | Was Sie betonen, bestimmt, wie das Gespräch verläuft. |
Vermeiden Sie Schuldzuweisungen | Konzentrieren Sie sich auf die Lösung, nicht auf vergangene Fehler. |
Bleiben Sie offen für Kompromisse | Kompromisse ermöglichen oft den schnellsten Weg zur Lösung. |
Nutzen Sie Emotionen kontrolliert | Emotionen haben ihren Platz, aber sie dürfen nicht dominieren. |
Vermeiden Sie Unterbrechungen | Lassen Sie Ihr Gegenüber ausreden und geben Sie Raum für seine Perspektive. |
Arbeiten Sie mit präzisen, überprüfbaren Fakten | Fakten stärken Ihre Glaubwürdigkeit und verhindern Missverständnisse. |
Definieren Sie das Problem klar | Klare Problemanalyse führt zu klaren Lösungen. |
Gehen Sie auf alle Argumente ein | Auch unwichtig erscheinende Punkte verdienen Beachtung. |
Schaffen Sie eine produktive Atmosphäre | Fokus auf Zusammenarbeit und Fortschritt statt auf Schuld und Versagen. |
Nutzen Sie neutrale Dritte, falls nötig | Bei festgefahrenen Verhandlungen hilft eine neutrale Meinung, den Knoten zu lösen. |
Achten Sie auf eine klare, präzise Sprache | Komplizierte Formulierungen verwirren und führen zu Missverständnissen. |
Arbeiten Sie mit positiven Metaphern | Metaphern helfen, komplexe Themen verständlich zu machen. |
Vermeiden Sie Ablenkungen | Halten Sie den Fokus auf das Wesentliche und lenken Sie nicht ab. |
Wiederholen Sie wesentliche Punkte | Wiederholung ist ein wirksames Mittel, um Klarheit zu schaffen. |
Fazit: Dieser Artikel zeigt, dass Verhandlungen und Konfliktregulierung durch methodisches Vorgehen.
Über die Kanzlei LFR Wirtschaftsanwälte und den Autor
*Dr. Marc Laukemann ist Partner bei LFR Wirtschaftsanwälte und Experte für Konfliktregulierung in unternehmerischen Kontexten. Mit seiner langjährigen Erfahrung unterstützt er Unternehmen dabei, rechtliche Auseinandersetzungen strategisch zu führen und dabei den Fokus auf nachhaltige Lösungen zu legen. Sein Ansatz verbindet juristische Präzision mit einem tiefen Verständnis für die Dynamik zwischenmenschlicher Beziehungen, um Konflikte sowohl auf rechtlicher als auch auf zwischenmenschlicher Ebene zu regulieren.
Über LFR Wirtschaftsanwälte ist eine auf Wirtschaftsrecht spezialisierte Kanzlei mit einem Fokus auf die Bewältigung und Regulierung von Konflikten in der Geschäftswelt. Ob es um Gesellschafterstreitigkeiten, Prozessführung oder Mediation geht, unser Ziel ist es, Konflikte nicht nur zu lösen, sondern auch als Chance für nachhaltiges Wachstum zu nutzen. Mehr über unsere Arbeit in diesen Bereichen erfahren Sie auf unseren Seiten zu Gesellschafterstreit, Coaching und Prozessführung und ADR.
- https://www.lfr-law.de/prozessfuehrung-adr/
- https://www.lfr-law.de/coaching/
- https://www.lfr-law.de/gesellschafterstreit/
Foto(s): Bilder Quelle Kreiert mit ChatGpT am 18.09.2024