Virtuelle Mitarbeiterbeteiligung: Chancen, Fallstricke und steuerliche Fallstricke – Ein Leitfaden für Unternehmer und Startups


Teil 1: Virtuelle Mitarbeiterbeteiligung – Chancen und Risiken

Virtuelle Mitarbeiterbeteiligungen, häufig in Form von Virtual Stock Option Plans (VSOPs), sind eine populäre Methode, um Mitarbeiter am Erfolg eines Unternehmens zu beteiligen. Besonders in der Startup-Szene, wo Liquidität knapp ist, bieten VSOPs eine attraktive Möglichkeit, talentierte Mitarbeiter langfristig zu binden, ohne das Eigenkapital unmittelbar zu belasten. Der Reiz für die Mitarbeiter liegt in der Aussicht, beim erfolgreichen Exit des Unternehmens finanziell beteiligt zu werden.

Doch Vorsicht ist geboten: Die Verträge, die solche Beteiligungen regeln, sind oft komplex und mit rechtlichen Fußangeln gespickt. Häufig erkennen die Mitarbeiter nicht, welche Risiken sie eingehen, insbesondere wenn sie sich die Zeit nehmen, die oft umfangreichen Vertragswerke gründlich zu prüfen und zu verstehen. Ein verbreiteter Irrtum ist, dass bereits verdiente Optionen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses automatisch weiterhin bestehen bleiben.

Chancen:

  1. Flexibilität und Skalierbarkeit: VSOPs ermöglichen es Unternehmen, flexibel auf die finanzielle Lage und die Bedürfnisse der Mitarbeiter einzugehen. Sie bieten eine Beteiligung am Unternehmenswert, ohne dass Aktien oder Geschäftsanteile ausgegeben werden müssen.
  2. Mitarbeitermotivation: Durch die Kopplung der Mitarbeitervergütung an den Erfolg des Unternehmens entsteht ein starker Anreiz für die Mitarbeiter, sich langfristig für das Unternehmen einzusetzen.
  3. Liquiditätsschonung: Gerade für junge Unternehmen, die noch keine hohen Gehälter zahlen können, sind VSOPs ein wichtiges Instrument, um trotz begrenzter finanzieller Mittel hochqualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen und zu halten.

Risiken:

  1. Rechtliche Komplexität: Die rechtliche Ausgestaltung von VSOPs ist anspruchsvoll. Es bedarf einer sorgfältigen Planung, um sicherzustellen, dass die Bedingungen klar definiert sind und sowohl den rechtlichen als auch den steuerlichen Anforderungen entsprechen. Denn Verträge über virtueller Anteile im Anstellungs-, Ergänzungs- oder einem Beteiligungsvertrag unterfallen der sogenannten AGB-Kontrolle (§§ 305 ff BGB). Im Verhältnis zu Mitarbeitern ist insbesondere auch der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten, wonach eine sachfremde Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer oder eine sachfremde Gruppenbildung unzulässig ist.
  2. Unsicherheit beim Exit: Der Erfolg einer virtuellen Beteiligung hängt maßgeblich vom Erfolg des Unternehmens und dem tatsächlichen Eintritt eines Exits ab. Sollte dieser ausbleiben oder die Unternehmensbewertung unter den Erwartungen bleiben, können die Mitarbeiter leer ausgehen.
  3. Steuerliche Herausforderungen: Die steuerliche Behandlung von VSOPs ist komplex und unterliegt stetigen Änderungen. Mit Wirkung zum 1.1.2024 hat der Gesetzgeber mit dem Zukunftsfinanzierungsgesetz (ZuFinG) eine Reihe von Regelungen rund um die Mitarbeiterbeteiligung bei Start-ups nachgebessert (vgl. dazu Teil 3).

LFR-Tipp: Diese Chancen und Risiken verdeutlichen, dass VSOPs nicht nur ein einfaches Instrument der Mitarbeiterbeteiligung sind, sondern einer gründlichen Planung und Beratung bedürfen. Im nächsten Teil wird ein konkreter Fall aus der Praxis beleuchtet, der zeigt, wie schnell rechtliche Fallstricke auftreten können, wenn die Vertragsgestaltung nicht hinreichend durchdacht ist.


Teil 2: Praktische Fallstudie – Der Fall des LAG München

Ein markantes Beispiel für die Herausforderungen virtueller Mitarbeiterbeteiligungen bietet ein Fall, der vor dem Landgericht München verhandelt wurde. Ein Senior Customer Success Manager eines Münchner Startups klagte gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber, nachdem ihm seine virtuellen Anteile aufgrund einer Verfallklausel entzogen wurden.

Hintergrund: Der Manager hatte sich mit großem Engagement für das Unternehmen eingesetzt und war überzeugt, dass ihm die in Aussicht gestellten virtuellen Anteile auch nach seinem Ausscheiden zustünden. Das Unternehmen hingegen argumentierte, dass die Anteile aufgrund einer „Bad Leaver“-Klausel verfallen seien, da der Manager (freiwillig durch Eigenkündigung) das Unternehmen vor dem vereinbarten Exit-Zeitpunkt verlassen habe.

Urteil: Das Landesarbeitsgericht München (LAG München, Urteil vom 7.2.2024 – 5 Sa 98/23) entschied zugunsten des Unternehmens und stellte klar, dass die Verfallklausel rechtmäßig war und keine unangemessene Benachteiligung des Mitarbeiters darstellt. Die zentrale Begründung des Gerichts stützte sich auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil vom 7. Mai 2014, VI R 73/12), wonach zwischen bereits verdientem Lohn und einer bloßen Gewinnchance zu unterscheiden ist. Eine Verfallklausel sei zulässig, wenn sie eine verlängerte Spekulationsfrist darstelle, wie dies bei einer Gewinnchance der Fall sei.

LFR-Tipp: Der Fall zeigt eindrücklich, dass selbst gut ausgebildete und informierte Mitarbeiter in die Falle tappen können, wenn sie die rechtlichen Konsequenzen der Mitarbeiterbeteiligung nicht vollständig verstehen.

  • Für Unternehmer und Startups: Stellen Sie sicher, dass die Verträge für virtuelle Mitarbeiterbeteiligungen klar und verständlich formuliert sind. Eine transparente Kommunikation über die Bedingungen und Risiken ist entscheidend, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden.
  • Für Mitarbeiter: Lassen Sie sich bei der Prüfung von Beteiligungsverträgen juristisch beraten, um unangenehme Überraschungen zu vermeiden. Verstehen Sie, dass virtuelle Optionen oft nur eine Gewinnchance und kein gesichertes Einkommen darstellen, das nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses weiter besteht.

Dieser Fall ist ein Lehrstück dafür, wie wichtig es ist, die Bedingungen solcher Programme gründlich zu verstehen – auf beiden Seiten des Verhandlungstisches. Im nächsten Abschnitt wird die steuerliche Behandlung von Mitarbeiterbeteiligungen beleuchtet, die ein weiterer entscheidender Faktor bei der Ausgestaltung solcher Programme ist.

Teil 3: Steuerliche Behandlung von Mitarbeiterbeteiligungen

Die steuerliche Behandlung von VSOPs und anderen Mitarbeiterbeteiligungsmodellen hat sich durch jüngste gesetzliche Änderungen erheblich verändert. Diese Änderungen betreffen sowohl die Besteuerung der geldwerten Vorteile als auch die möglichen Steuerstundungen.

Aktuelle Entwicklungen: Mit den jüngsten Regelungen durch das Fondsstandortgesetz wurde der Freibetrag für die Gewährung einer vergünstigten Beteiligung von 1.440 auf 2.000 Euro (§ 3 Nr. 39 EStG) angehoben und der Anwendungsbereich für eine nachgelagerte Besteuerung beim Arbeitnehmer (§ 19a EStG) erweitert. Letztere soll verhindern, dass bereits im Zeitpunkt der Überlassung Lohnsteuer gezahlt werden muss, obwohl dem Arbeitnehmer noch keine liquiden Mittel zugeflossen sind, aus denen diese finanziert werden kann („Dry-Income“-Besteuerung). Gem. § 19a EStG n.F. wurde der Gründungszeitraum auf 20 Jahre ausgedehnt und die Schwellenwerte deutlich erhöht (bis 1.000 Mitarbeiter, 100 Millionen Euro Jahresumsatz und 86 Millionen Euro Jahresbilanzsumme). Weiterhin wurde die Möglichkeit einer Haftungsübernahme des Arbeitgebers für die später anfallende Lohnsteuer eingeführt, wodurch die nachgelagerte Besteuerung über den Zeitraum von 15 Jahren hinaus aufgeschoben werden kann.

Die neuen Regelungen sind besonders für Startups attraktiv, die oft in den ersten Jahren keine ausreichenden Gewinne erzielen, um die sofortige Besteuerung der Beteiligungserträge zu tragen.

Steuerliche Besonderheiten:

  • Besteuerungsaufschub: Durch § 19a EStG ist es möglich, die Besteuerung von geldwerten Vorteilen aufzuschieben, bis tatsächlich liquide Mittel zufließen, etwa bei einem Exit.
  • Abgrenzung „echte“ vs. „virtuelle“ Beteiligung: Während „echte“ Beteiligungen häufig eine sofortige Lohnbesteuerung auslösen, können virtuelle Beteiligungen so ausgestaltet werden, dass die Steuerlast erst im Zeitpunkt des tatsächlichen Zuflusses anfällt.

Überleitung: Die richtige steuerliche Behandlung von VSOPs kann entscheidend dazu beitragen, die Attraktivität dieser Modelle für Mitarbeiter und Unternehmen zu steigern. Eine detaillierte Beratung und sorgfältige Planung sind daher unerlässlich.

Fazit

Virtuelle Mitarbeiterbeteiligungen bieten Unternehmen und Mitarbeitern gleichermaßen Chancen, erfordern jedoch eine sorgfältige rechtliche und steuerliche Planung. Die richtige Ausgestaltung kann entscheidend dazu beitragen, rechtliche Fallstricke und steuerliche Nachteile zu vermeiden. Unternehmer sollten sich regelmäßig über die aktuellen gesetzlichen Rahmenbedingungen informieren und sicherstellen, dass ihre Mitarbeiterbeteiligungsprogramme den neuesten rechtlichen und steuerlichen Anforderungen entsprechen.

Glossar: Wichtige Begriffe der Mitarbeiterbeteiligung

  • Virtual Stock Option Plan (VSOP): Ein Modell der Mitarbeiterbeteiligung, bei dem Mitarbeiter kein echtes Eigenkapital erhalten, sondern schuldrechtliche Ansprüche auf eine Auszahlung im Erfolgsfall (z.B. bei einem Exit).
  • Geldwerter Vorteil: Der finanzielle Vorteil, den ein Mitarbeiter aus einer Sachleistung des Arbeitgebers zieht, z.B. bei der Ausübung von Optionen. Dieser Vorteil ist in der Regel steuerpflichtig.
  • Exit: Ein Ereignis, wie der Verkauf des Unternehmens oder ein Börsengang, bei dem die virtuellen Optionen ausgeübt und in Geld umgewandelt werden können.
  • Vesting: Die Periode, während derer ein Mitarbeiter kontinuierlich im Unternehmen tätig sein muss, um das Recht zur Ausübung der Optionen zu erwerben. Nach Ablauf dieser Frist werden die Optionen „gevestet“ und können ausgeübt werden.
  • Steuerstundung: Eine gesetzliche Regelung, die es ermöglicht, die Besteuerung des geldwerten Vorteils zu einem späteren Zeitpunkt vorzunehmen, z.B. erst bei einem tatsächlichen Exit und nicht bereits bei der Zuteilung der Optionen.

Quellenangaben:

  • Rödl & Partner: „Mitarbeiterbeteiligungen: Neue steuerliche Regelungen 2024“,.
  • LAG München, Urteil vom 7.2.2024 – 5 Sa 98/23.
  • Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 7. Mai 2014, VI R 73/12.

* Rechtsanwalt Dr. Marc Laukemann ist Gründungspartner von LFR Wirtschaftsanwälte München, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie für gewerblichen Rechtsschutz, zertifizierter Wirtschaftsmediator (IHK) und systemischer Business Coach (IHK). Der Unternehmersohn war unter anderem Geschäftsführer des elterlichen Bauunternehmens und ist Mitgründer eines Startups im Bereich Digital Health.

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Weitere Informationen zu dem Thema: Startup-Gründer in der Finanzierungsfalle: (anwalt.de)