Psychologische Hürden in Verhandlungen – Was die Forschung über „mentale Faulheit“ für Wirtschaftsverhandlungen bedeutet

Verhandlungen sind oft zäh und konfliktbehaftet – und das liegt nicht immer an den äußeren Umständen. Neue Erkenntnisse aus der Psychologie zeigen, dass ein tief verwurzeltes menschliches Verhalten eine Schlüsselrolle spielt: Die Tendenz, anstrengendes Denken zu vermeiden.

Zentrale Ergebnisse der Studie:

  1. Mentale Faulheit ist weit verbreitet: Die Studie zeigt, dass Menschen oft dazu neigen, einfache Denkprozesse zu bevorzugen, selbst wenn komplexeres Denken notwendig wäre. Dieses Phänomen, bekannt als “kognitive Trägheit”, ist tief in unserem Gehirn verankert und kann uns bei schwierigen Entscheidungen, wie sie in Verhandlungen häufig vorkommen, ausbremsen.
  2. Langfristige Auswirkungen auf Entscheidungsfindung: Diese Tendenz zur mentalen Abkürzung kann dazu führen, dass Verhandlungsparteien voreilige Entscheidungen treffen, die nicht im besten langfristigen Interesse liegen. Beispielsweise könnten Geschäftsmodelle übersehen oder missverstanden werden, weil die Auseinandersetzung damit zu anstrengend erscheint.
  3. Risiken in komplexen Verhandlungssituationen: In wirtschaftlichen Konflikten, wo eine differenzierte Analyse erforderlich ist, kann diese „mentale Faulheit“ dazu führen, dass wichtige Details übersehen werden. Dies kann sowohl bei der Ausgestaltung von Verträgen als auch bei der strategischen Planung gravierende Folgen haben.

Als Wirtschaftsmediator und Fachanwalt sehe ich in diesen Erkenntnissen eine wichtige Warnung: In Verhandlungen sollte man sich bewusst sein, dass nicht immer rationale Argumente oder wirtschaftliche Zwänge die Entscheidungen lenken, sondern oft auch die mentale Bequemlichkeit. Hier liegt eine Chance für erfahrene Berater, die Parteien durch gezielte Fragen und strukturierte Analysen zu tieferem Nachdenken anzuregen und so suboptimale Entscheidungen zu verhindern.

Handlungsempfehlungen:

  • Verhandlungsvorbereitung intensivieren: Gezielte Vorbereitung und klare Strukturierung der Verhandlungspunkte helfen, die „kognitive Trägheit“ zu überwinden.
  • Erweiterte Perspektiven einnehmen: Es lohnt sich, in Verhandlungen verschiedene Szenarien durchzuspielen, um sicherzustellen, dass alle relevanten Aspekte bedacht werden.
  • Bewusstsein schaffen: Alle Beteiligten sollten sich der menschlichen Tendenz zur Vereinfachung bewusst sein und aktiv gegensteuern, indem sie komplexe Themen gründlich analysieren.

In einer Welt, in der Entscheidungen zunehmend komplexer werden, ist es wichtiger denn je, das Phänomen der Tendenz zur „mentalen Faulheit“ zu kennen.

Quelle: Die Studie „Why people are cognitively lazy“ von Arvanitis/Cleeremans findet sich hier: https://www.pnas.org/doi/full/10.1073/pnas.2111785119

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