Miet-/Pachtzahlung trotz behördlicher Anordnung zur Schließung des Betriebs zur Eindämmung des Corona-Virus

Am 16.03.2020 hat die Bundesregierung mit den Bundesländern vereinbart, dass zahlreiche Unternehmen für den Publikumsverkehr zu schließen sind. Hiervon betroffen sind neben Bars, Clubs etc. auch Verkaufsstellen des Einzelhandels. Hotels dürfen keine touristischen Übernachtungen mehr durchführen und der Restaurantbetrieb ist sowohl räumlich als auch zeitlich einzuschränken. Dies führt zu großen Umsatzeinbußen und wirft die Frage auf, welche Auswirkungen dieses behördliche (Teil-) Verbot auf die Pflicht zur Mietzahlungen hat. Nachfolgend skizzierte Überlegungen gelten im gleichen Maß für Pachtverträge, da die Bestimmungen des Mietrechts hierauf weitgehend anwendbar sind.

I. Grundsätzliche Risikoverteilung beim Mietvertrag

Hauptpflicht des Mieters ist die Verpflichtung zur Zahlung der Miete, dem steht die Pflicht zur Gebrauchsüberlassung des Vermieters gegenüber. Grundsätzlich besteht die Pflicht zur Mietzahlung auch, wenn der Mieter die Mietsache aus in seiner Person oder seiner Risikosphäre liegenden Gründen nicht oder nur eingeschränkt nutzen kann. So läge es etwa, wenn der Mieter Umsatzrückgänge zu verzeichnen hätte, die z.B. darauf zurückzuführen sind, dass seine Leistungen oder Produkte auf dem Markt nicht nachgefragt werden.

Fraglich aber ist, wie es sich in der konkreten Situation verhält, in der dem Mieter infolge einer flächendeckenden behördlichen Verfügung zur Eindämmung der Covid-19 Pandemie die Einnahmequelle entzogen wird. Die Besonderheit ist hier, dass die behördliche Verfügung nicht individuell auf den Mieter bzw. Vermieter bezogen erging, weil etwa sicherheitsrelevante Baumängel vorlagen, sondern weil der Mieter eine Tätigkeit / ein Gewerbe betreibt, dass von dem oben genannten Verbot erfasst wird.

Das BGB stellt verschiedene Instrumentarien bereit, über die eine Reduktion bzw. Anpassung der Miete möglich wäre. Zu klären ist, ob und inwieweit diese anwendbar sind.

II. Anspruch auf Mietminderung wegen eines Sachmangels

Nach § 536 Abs. 1 BGB ist die Miete gemindert, wenn die Mietsache einen Mangel hat, der die Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt. Es ist daher die Frage zu stellen, ob eine staatlich angeordnete Verfügung, z.B. eine Bar, einen Club oder ein Verkaufsgeschäft für den Publikumsverkehr zu schließen, einen Mangel der Mietsache darstellt.

Dies könnte in Betracht kommen, wenn die Mietsache, wie es in gewerblichen Mietverträgen häufig der Fall ist, zu einem spezifischen Zweck vermietet wurde. So ist in gewerblichen Mietverträgen meist geregelt, dass die Mietsache z.B. zum Betrieb eines Tanzlokals, einer Gaststätte oder einer Verkaufsstätte für den Einzelhandel vermietet wird.

Der Mieter könnte sich daher auf den Standpunkt stellen, dass der Vermieter die Mietsache zwar noch physisch zur Verfügung stellt, aber eben nicht für den spezifisch vereinbarten Verwendungszweck. Anerkannt ist, dass öffentlich-rechtliche Beschränkungen einen Mangel darstellen können, wenn sie sich auf die Beschaffenheit und Benutzbarkeit der Sache beziehen.

Da der Anspruch auf Mietminderung nicht an Verschulden geknüpft ist, wäre es auch unbeachtlich, dass die behördliche Verfügung der Einflusssphäre des Vermieters entzogen ist. In diese Richtung weist die Tanzlokal-Entscheidung des Reichsgerichts (!). Hiernach trifft den Vermieter das Risiko, dass Tanzveranstaltungen während des Krieges verboten werden, da die Sache dann nicht zum vereinbarten Zweck brauchbar ist. Natürlich ist schon aufgrund des Alters der Entscheidung fraglich, ob diese 1:1 auf die heutige Gegebenheit übertragbar ist.

Gegenläufig wäre zu argumentieren, dass sich in der behördlichen Verfügung das Risiko des Mieters niederschlägt, die Mietsache nach seinen Vorstellungen verwenden zu können. Da das Verwendungsrisiko den Mieter trifft, wäre folglich eine Minderung ausgeschlossen. Auch könnte der Vermieter darauf verweisen, dass nicht der vertragsgegenständlichen Mietsache ein Mangel anhaftet, sondern dem Mieter die Nutzung aufgrund einer generellen behördlichen Anordnung untersagt wird.

Letztlich maßgeblich ist damit die Grenzziehung zwischen der von Vermieter zu verantwortenden Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit der Mietsache und das den Mieter treffende Risiko, die Mietsache nach seinen Vorstellungen verwenden zu können.

Neben dem Inhalt und der Begründung des Verbots kommt es in diesem Zusammenhang überlagernd auch auf die mietvertraglichen Regelungen an, welche Partei das Risiko bei behördlichen Verboten zu tragen hat. Hiernach ist dann eine Einzelfallwertung vorzunehmen.

Fazit: Es sind Fallgestaltungen und vertragliche Konstellationen möglich, die es Nahe legen, dass das Gebot Gewerberäumlichkeiten für den Publikumsverkehr zu schließen, einen zur Minderung berechtigenden Sachmangel darstellt. Dies bedarf einer individuellen Prüfung im Einzelfall.

 

III.          Mietanpassung wegen ersparter Aufwendungen § 537 BGB

Infolge einer länger andauernden Nutzung der Mietsache, reduziert sich auch deren Verschleiß und folglich auch Instandhaltungs- und Wartungsaufwendungen. Wenngleich infolgedessen eine Anpassung der Miete als möglich erscheint, gehen mit der Bezifferung der Ersparnis erhebliche Beweisschwierigkeiten einher, so dass dieser Weg für Mieter wenig hilfreich erscheint.

IV. Anpassung wegen Wegfall der Geschäftsgrundlage (höhere Gewalt)

Nach der gesetzlichen Regelung des § 313 BGB liegt ein Wegfall der Geschäftsgrundlage vor, wenn sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben und die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie die Veränderung vorausgesehen hätten und das Festhalten am unveränderten Vertrag unzumutbar ist.

Fraglich also ist, ob die Mietvertragsparteien eine abweichende Regelung getroffen hätten, wenn sie den Ausbruch der Pandemie vorausgesehen hätten und ob dem Mieter das unveränderte Festhalten am Vertrag zumutbar ist. Für die Unzumutbarkeit gelten strenge Maßstäbe, ebenso ist im Rahmen der Abwägung der bereits oben angesprochene Grundsatz zu berücksichtigen, dass das Verwendungsrisiko den Mieter trifft.

Ob eine abweichende Regelung getroffen worden wäre läßt sich nicht generell, sondern nur im konkreten Einzelfall klären. Ein zentraler Punkt ist dabei die Art der vereinbarten Miete, d.h. ob eine Fix- oder (teilweise) Umsatzmiete vereinbart wurde.

  1. Fixmietverträge werden typischerweise dann abgeschlossen, wenn das wirtschaftliche Risiko des Betriebs der Mietsache alleine den Mieter treffen sollte. Alle diesbezüglichen Chancen und Risiken liegen auf dessen Seite. Würde in dieser, sich vertraglich dokumentierten Risikoverteilung, über den Wegfall der Geschäftsgrundlage eine Anpassung der Miete vorgenommen werden, spricht viel dafür, dass dies zumindest nicht dem Willen des Vermieters entspricht und die Parteien damit keine anderweitige Regelung, sprich Anpassung des Mietzinses, getroffen hätten.

Überlagernd und weiterführend ist Folgendes im Auge zu behalten. Derzeit nicht absehbar ist, ob aufgrund der fundamentalen Einschränkungen, wie es sie in der Bundesrepublik bisher nicht gab, die Gericht zu der Ansicht gelangen werden, dass die ausgesprochenen Verbote vom 16.03.2020 dem Grundsatz entzogen sind, dass die damit verbundenen wirtschaftlichen Risiken einer Partei zuzuweisen sind. Denkbar ist, dass die Gerichte in der juristischen Aufarbeitung der Pandemie argumentieren, dass der Wert von Leistung und Gegenleistung durch die behördlichen Eingriffe eventuell insoweit gestört ist, dass ein Wegfall der Geschäftsgrundlage angenommen werden kann. Dies also würde für die Möglichkeit einer Anpassung sprechen.

  1. Sofern die Parteien eine (teilweise) Umsatzpacht vereinbart haben, partizipiert der Vermieter an wirtschaftlichen Risiko des Mieters. Dies wird häufig durch eine entsprechende Betriebspflicht der Mietsache flankiert.

Fallen infolge der notwendigen Schließung der Mieträume für den Publikumsverkehr Umsätze aus, dann nimmt der Vermieter bereits über die reduzierte Umsatzpacht am Risiko des Mieters teil. Der Vermieter könnte ins Feld führen, dass eine weitere Anpassung nicht notwendig ist, da der unveränderte Mietvertrag aufgrund der bereits bestehenden Risikoteilung für den Betreiber gerade nicht unzumutbar ist. Maßgeblich diesbezüglich dürfte in diesem Zusammenhang auch die prozentuale Höhe der Umsatzmiete sein.

Fazit: Eine Anpassung des Mietvertrags über den Wegfall der Geschäftsgrundlage mag in Einzelfällen in Betracht kommen, notwendig ist eine Einzelfallbetrachtung.

V. Sonstiges

Jenseits der rein rechtlichen Aspekte ist es für die Mieter ratsam, das Gespräch mit dem Vermieter zu suchen, um zu einer für beide Parteien tragbaren (Übergangs-)Lösung zu kommen. Gerade Änderungen zur Miethöhe und Fälligkeit sind zentrale Aspekte eines Mietvertrags. Von großer Bedeutung ist, dass die getroffenen Vereinbarungen hierzu in einem formwirksamen Nachtrag zu dem Mietvertrag gefasst werden. Hierbei gibt es zahlreiche rechtliche Fallstricke. Dies ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass gewerbliche Mietverträge meist eine Mietdauer von mehr als einem Jahr haben und damit dem gesetzlichen Schriftformerfordernis unterliegen. Unterläuft den Parteien bei der Abfassung des Nachtrags ein Formfehler, infiziert dieser den Hauptvertrag. Konsequenz ist dann, dass der Mietvertrag auf unbestimmte Zeit läuft und unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfristen gekündigt werden kann. Dies ist eine Situation, die sich als für beide Parteien misslich erweisen kann und die Parteien nach damit vom Regen in die Traufe kommen.

VI: Zusammenfassung

  • Die infolge der Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Bundesländern vom 16.03.2020 notwendige Schließung von Geschäften kann einen Sachmangel der Mietsache darstellen, da diese dann nicht mehr zum vertraglich vereinbarten Verwendungszweck überlassen werden kann.

 

  • Eine Anpassung von Mietverträgen nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage ist eine Einzelfallfrage. Bei Verträgen mit einer Fixmiete spricht dagegen die vertragliche Risikoverteilung, bei Verträgen mit einer Umsatzmiete erfolgt die Risikopartizipierung bereits über den variablen Mietanteil.

 

  • Werden Anpassungen am Mietvertrag hinsichtlich zentraler Teile (Miethöhe, Mietdauer, Fälligkeiten) vorgenommen, sind diese Punkte in einen schriftformkonformen Nachtrag aufzunehmen. Hierbei ist große Sorgfalt zu wahren, da andernfalls Gefahr besteht, dass der Hauptmietvertrag formunwirksam und damit jederzeit unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfristen kündbar ist.