BFH: Nachträgliche Anschaffungskosten nach Inkrafttreten des MoMiG für Bürgen
Entgegen der langjährigen Praxis der Finanzverwaltung hat der BFH nunmehr in einem richtungsweisenden Urteil (v. 11.07.2017 – Az. IX R 36/15) entschieden:
In Folge des Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) Ende des Jahres 2008 liegen im Fall der Inanspruchnahme eines Gesellschafters als Bürgen einer insolventen Gesellschaft mit beschränkter Haftung keinen nachträglichen Anschaffungskosten nach § 17 EStG mehr vor.
Zu entscheiden hatte der BFH den folgenden Fall:
Der Kläger, späterer Alleingesellschafter einer GmbH, übernahm für Verbindlichkeiten der Gesellschaft (Bankdarlehen) verschiedene selbstschuldnerische Bürgschaften. Im Jahr 2011 meldete die GmbH Insolvenz an, die Eröffnung eines Verfahrens wurde allerdings mangels Insolvenzmasse abgelehnt. Daraufhin wurde der Kläger von den Gläubigern persönlich aus den Bürgschaften in Anspruch genommen.
Nach erfolgter Inanspruchnahme machte der Kläger gegenüber dem Finanzamt Veräußerungsverlust aus der Auflösung der Gesellschaft nach § 17 Abs. 4 EStG geltend und setzte hierfür unter anderem die Inanspruchnahme aus den Bürgschaften als nachträgliche Anschaffungskosten an. Das zuständige Finanzamt hat eine Berücksichtigung nach § 17 EStG abgelehnt, da die GmbH sich zum Zeitpunkt der Übernahme der Bürgschaft nicht in der Krise befand. Das Finanzgericht Düsseldorf gab der Klage des Klägers statt: Die Übernahme der Bürgschaft war gesellschaftlich veranlasst und damit als nachträgliche Anschaffungskosten zu berücksichtigen.
Wie entschied der BFH in solchen Fällen bislang?
Der BFH stellte im Rahmen der Berücksichtigung nachträglicher Anschaffungskosten auf die Beteiligung für Gesellschafterdarlehen und –bürgschaften bislang darauf ab, ob diese als eigenkapitalersetzend anzusehen sind. Wenn dies der Fall war, konnten Sie im Rahmen der Einkommenssteuer angesetzt werden und minderten so den Gewinn, bzw. erhöhten den Verlust, was für den Betroffenen eine erhebliche steuerliche Erleichterung bedeuten konnte.
Wandel der Rechtsprechung:
Der Rechtsfigur der eigenkapitalersetzenden Darlehen und Sicherheiten fehlt jedoch seit Inkrafttreten des Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) die Grundlage, weil die Haftung des Gesellschafterbürgen nun insolvenzrechtlich und nicht mehr gesellschaftsrechtlich geregelt und begründet wird.
In dogmatischer Hinsicht deshalb eigentlich wenig überraschend hat der BFH nun klargestellt, dass mit Einführung des MoMiG Anschaffungskosten, die nach Maßgabe der handelsrechtlichen Definition des § 255 HGB zu beurteilen sind, dem Fremdkapital zuzuordnen sind und deshalb nicht als mehr Anschaffungskosten bewertet werden können.
Vertrauensschutz
Mit Rücksicht auf die bisherige Rechtspraxis und die großen Auswirkungen auf die Finanzierung von Kapitalgesellschaften durch Gesellschafterdarlehen und die Absicherung von Darlehen durch Bürgschaften des Gesellschafters gewährt der BFH jedoch Vertrauensschutz. D.h. in Fällen, in welchen ein Gesellschafter bis zum Tag der Entscheidung des BFH der Veröffentlichung des Urteils am 27. September 2017 eine Bürgschaft oder ein der Bürgschaft entsprechende Finanzierung geleistet hat, darf er im Verwertungsfall weiterhin nachträgliche Anschaffungskosten steuerlich geltend machen.
Fazit für die Praxis:
Der Wandel der Rechtsprechung führt dazu, dass die steuerliche Bewertung der Finanzierungsfolgen verstärkt schon bei der (Um-) Gestaltung von Kreditsicherheiten mitberücksichtigt werden muss. . Denn finanziell führt die Frage, ob eine Finanzierung als (nachträgliche) Anschaffungskosten steuerlich berücksichtigt werden kann, zu erheblichen Konsequenzen.